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Vor einer Woche stand ich am Start beim London Marathon – ein unglaubliches Gefühl war das. Ich habe viel investiert in dieses Projekt und hatte auch eine entsprechende Erwartung an mich selber. Einerseits war da der Leistungsaspekt und eine gewisse Zeit von 3:15h in meinem Kopf. Andererseits sollte es auch ein spezielles Erlebnis werden und mein persönlicher Abschiedslauf von London, den ich bewusst geniessen wollte. Das eine schliesst das andere nicht unbedingt aus, oder? Ich nehme euch mit auf die 42.195km des London Marathons.

Meine gesamte Marathonvorbereitung verlief sehr gut und auch ohne grössere Probleme. Gegen Schluss hatte ich vor allem im linken Bein etwas mit Verhärtungen zu kämpfen, die sich aber in der Taperingphase mit dem abnehmenden Trainingsumfang und entsprechenden Massnahmen (Blackroll, Massage) legten. In den letzten beiden Wochen vor dem Marathon achtete ich neben dem Alltag mit Kind und der Arbeit auf viel Erholung und darauf, den Erkältungsviren meiner Kleinen zu trotzen. Ehrlicherweise hatte ich wirklich etwas Angst, mir so kurz vor dem Tag X etwas einzufangen. Aber zu meinem Glück ist die Erkältung dann erst nach dem Marathon eingetreten.

Die Stimmung am Start

WhizzKidz

Mit dem Wissen über meine gute Vorbereitung machte ich mich am Sonntag Morgen rechtzeitig in Richtung Stadtteil „Greenwich“ im Südosten Londons, wo der Start war. Anlässlich eines Team-Fotos habe ich alle Läufer getroffen, welche auch für die Charity Whizz Kidz starteten. Anschliessend bin ich mit der Masse durch den Park Richtung Startgelände gelaufen. Nur Läufer wurde Zutritt zum Startgelände gewährt und die Aufmachung erinnerte mich eher an ein Musikfestival. Viele Toi-Toi’s, laute Musik, eine Grossleinwand mit verschiedenen Übertragungen und bunte Menschen, darunter auch viele in einem sogenannten “Fancy Dress”.

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Ready, set, go! Die ersten 10 Kilometer

Ohne grosses Einlaufen reihte ich mich rechtzeitig im dritten Startblock im roten Startgelände ein. Insgesamt gab es drei verschiedene Startgelände und somit drei unterschiedliche Starts, welche kurz vor fünf Kilometer zusammen münden. Nach dem Startschuss dauerte es eine Weile, bis unser Startblock die Startlinie erreichte und das Feld um mich herum langsam ins Rollen kam. Keine Chance für einen Schnellstart, aber bei 42.195km in Aussicht spielt das auch keine Rolle. Erstaunlich schnell fand ich meinen Trott und lief vor allem nach Gefühl. Nur gelegentlich schaute ich auf meine Uhr, und auch nur um sicher zu sein, nicht zu schnell anzugehen. Es fühlte sich so langsam an und zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass dieses Tempo im gleichen Rennen später nicht mehr als langsam empfunden wurde.

Jede Meile war gekennzeichnet und alle fünf Kilometer stand ein Schild. Kurz vor der fünf Kilometermarke führte die Strecke der verschiedenen Starts zusammen. Irgendwie war da plötzlich der 3:30h Pacer sowie eine grosse Läuferschar aus dem blauen und grünen Start vor mir. Mein Lauf-Rhythmus glich für die nächsten paar Kilometer einem Stop-and-go sowie kleinen Zwischenhüpfer nach links und rechts durch die Läufer-Lücken. Bis Kilometer acht hat sich das so hingezogen, mal lief ich langsamer, mal schneller, insgesamt eher unregelmässig und definitiv nicht geradlinig. Das rechtfertigt wohl auch die zu viel aufgezeichneten 200m auf meiner Uhr am Schluss.

Kilometer 10 bis 20 Richtung „Tower Bridge“

Dafür sind die ersten zehn Kilometer verflogen und mein erstes Zwischenziel, das „Cutty Sark“ in Greenwich, erreicht. Dort hatte es unglaublich viele Zuschauer und die Stimmung war einfach Wow!, die Masse hat mich sozusagen getragen. Sofort wich der kurze Ärger wegen dem Slalomlaufen dieser Atmosphäre. Irgendwann habe ich dann auch meinen ersten von dreieinhalb Gels verdrückt. Übrigens habe ich bereits relativ früh an jeder Wasserstation, also immer nach einer Meile, ein paar Schlücke Wasser zu mir genommen. Das hat sich für mich definitiv ausbezahlt. Die Kunst war jeweils, nicht über die Wasserflaschen am Boden zu stolpern und den durch die Luft fliegenden Flaschen von anderen Läufern auszuweichen.

Die nächsten Kilometer bin ich gefühlt sehr regelmäig entgegen meinem nächsten Zwischenziel, der „Tower Bridge“, gelaufen. Kaum auf der Tower Bridge eingebogen, ging das Getose los. Alles bebbte, die Zuschauer tobten richtig. Und unter all dem Lärm habe ich meine Freunde und Familie herausgehört. Ich habe sie nicht dort erwartet. Mit einem persönlichen Rennhighlight und der Motivation nahm ich die zweite Streckenhälfte in Angriff. Wobei, ehrlich, zu diesem Zeitpunkt spürte ich die erste muskuläre Ermüdung in meinen Beinen, sogar mein unterer Rücken spannte und die Frage tauchte kurz auf: “Wie schaffst du nochmals einen Halbmarathon im selben Tempo?”.

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Dran bleiben: Vom Halbmarathon bis Kilometer 30

Die Rückenwehwechen wichen kurz darauf und an die verschlagenen Beine gewöhnst du dich irgendwann. Ich habe mich aber immer wieder darauf geachtet, rund und aufrecht zu laufen. Da hatten es wohl die vielen Verkleideten, auf die ich unterwegs aufgelaufen bin, etwas schwieriger: Ich stelle mir ein Rennen mit dem Hexenbesen oder einem schweren Kochtopf in der Hand sehr einseitig zum Laufen vor. Unterhaltend war es aber allemal. So auch die vielen Zuschauer, welche eigentlich jeden Meter am Strassenrand füllten und den London Marathon definitiv zu einem Partymarathon machten.

Bis Kilometer 30 und meinem nächsten Zwischenziel „Canary Wharf „konnte ich regelmässig weiterlaufen und freute mich eigentlich auf die letzten 12 Kilometer. Ich hatte im Gefühl, meine anvisierte Zeit von 3:15h zu erreichen. Insgeheim hoffte ich natürlich, nochmals aufzudrehen und vielleicht bei 3:12h oder 3:13h einzulaufen. Aber ich wusste auch, wenn noch nicht aus eigener Erfahrung, dass auf den letzten Kilometern noch viel passieren kann und eine Krise gerne eintritt.

Kilometer 30 bis 42.195 und der Zieleinlauf – YAY 

Meine Abschnittszeiten für jeweils fünf Kilometer waren bis Kilometer 30 alle zwischen 22:36 und 23:10 Minuten und sehr regelmässig. Zwischen Kilometer 30 und 35 wurde ich minim langsamer und brauchte 23:29 Minuten, was ich auch spürte. Jetzt einfach dran bleiben und so startete ich bei Kilometer 35 mental ein sieben Kilometer rennen. Ich habe es bis hierher geschafft, also sind sieben Kilometer gefühlt ein Spaziergang. Klar taten die Beine und Füsse etwas weh, aber eigentlich fühlte ich mich doch noch gut. Go Girl go!

Ungefähr fünf Kilometer vor dem Ziel waren sie nochmals: Meine Familie und Freunde, etwas verteilt über einen Kilometer, um mich optimal zu supporten. Danach gab es noch einen halben Gel. Der letzte Streckenabschnitt, von der London Bridge bis zum Westminster bin ich unzählige mal im Training gelaufen und habe mir diesen immer so speziell ausgemalt. Aber dieses Mal kam er mir einfach nur lang und gerade vor. Ich hatte wirklich Mühe, meine ohnehin bereits langsamere Pace zu halten. Der Kopf und vor allem auch der Motor wären bereit gewesen noch aufzudrehen, die Beine aber wollten nicht mehr schneller.

Die berüchtigte Krise blieb aus und ich konnte ohne grösseren Beschwerden oder Energieengpässe meinem ersten “Laufmarathon”-Ziel entgegen laufen und in 3:15:46h finishen. Nach der Ziellinie liess ich mir Zeit: Der Weg zum Gepäck-Truck lief ich im Schneckentempo und brauchte gefühlt ewig. Immer wieder erhielt ich ein Lächeln und ein „Well done“ von dem unglaublichen Staff.

Après-Marathon

Bei der Postrace-Reception der Charity, für welche ich den Marathon lief, erhielt ich eine kurze Massage, stärkte mich mit Pasta und habe Familie und Freunde getroffen. Diesen speziellen Moment und das ausgiebige Abendessen mit ihnen zu teilen, hat mir viel bedeutet. Dazwischen habe ich Katja und Ivona getroffen, welche ich auf den London Marathon gecoacht habe. Ein schönes Gefühl zu sehen, dass auch die beiden ein spezielles Marathonerlebnis hatten in London. Patrick, ein weiterer Kunde von mir, ist seinen ersten Marathon erfolgreich in Hamburg gelaufen. Ein stolzer Coach* und ein perfektes Marathonwochenende für uns alle also.

Danke, danke, danke

Ein grosses Dankeschön an alle, die in irgendeiner Weise im Vorfeld oder nach dem Marathon an mich gedacht haben und insbesondere meinen Supportern vor Ort. Nebst meiner Schwiegermama sind zwei Freunde extra aus der Schweiz angereist und haben mich am Samstag überrascht. Definitiv eine grosse Portion extra Motivation – Danke! Ohne meine beiden Liebsten und speziell ohne meinen Mann wäre der Marathon nicht möglich gewesen. Er hat meine ganze Vorbereitung mitgetragen und mir viel Freiraum und Verständnis fürs Training während den letzten Monaten gegeben.

Danke auch allen, welche mein Fundraising für die Charity Whizz Kidz bisher unterstützt haben. Zu Beginn habe ich angekündigt, dass ich selber auch einen Beitrag leiste. Jeden einzelnen Trainingskilometer seit Jahresbeginn bis zum Marathonfinish, 1017 Kilometer insgesamt, bin ich für gehbehinderte Kinder und Jugendlichen gelaufen. Pro gelaufenen Kilometer werde ich 50 Rappen, also umgerechnet und aufgerundet 400 Pfund, in mein Fundraising-Projekt geben. Das Fundraising Projekt läuft noch bis Ende Mai und erst recht jetzt nach dem Marathon freue ich mich noch über jeden Zustupf für ein bewegtes Kinderleben, egal wie gross. Hier geht es entlang zu meiner FUNDRAISING-SEITE.

Hier noch einige Facts zu meinem Marathon

Gesamtvorbereitung seit Januar 2017

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Abschnittszeiten

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Ein langsamer Start lohnt sich eben doch

Platzierung

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Was eine Stunde so ausmacht

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*Ein Interview über mich und mein Coaching, meine Laufgeschichte und ein paar Trainingtipps

Bilder ©www.sportymum.net

Videos von mir: SOL-ID Solothurn

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