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Ein positiver Schwangerschaftstest bringt so einige Veränderungen, vorerst vor allem auch körperliche, mit sich. Gerade sportliche Frauen spüren diese ziemlich schnell. Erst recht, wenn Frau Spitzensportlerin ist. Wie aber wirkt sich die Schwangerschaft auf den Trainingsalltag einer Spitzensportlerin aus?

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Judith Wyder, vierfache Europa- und Weltmeisterin im Orientierungslauf, war an der internationalen Spitze, als sie letzten Frühling ihre Schwangerschaft verkündete. Ihre Saison 2017 stand hauptsächlich im Zeichen der Schwangerschaft. Es ging für einmal nicht um Bestleistungen, sondern um eine aktive und gesunde Schwangerschaft. Diese Umstellung brachte für die erfolgreiche Orientierungsläuferin und Physiotherapeutin auch so einige neue Herausforderungen mit sich.

Seit dem 6. Dezember 2017 sind Judith und ihr Mann Gabriel Eltern der kleinen Linn Sofia – herzliche Gratulation an die beiden und alles Gute für die Zukunft als Familie. Ganz gegen Ende der Schwangerschaft durfte ich Judith ein paar Fragen rund um ihr Training während der Schwangerschaft stellen. Danke dir Judith für den ausführlichen Einblick und deine sehr authentischen Antworten. Diese zeigen einmal mehr, dass eine Schwangerschaft sehr individuell ist. Auch bei Spitzensportlerinnen! Für deinen sportlichen Wiedereinstieg sowie für deine Ziele im 2018 wünsche ich dir viel Erfolg.

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Du bist in der Frühschwangerschaft noch an OL-Wettkämpfen gestartet. Wie hat sich das angefühlt?

Bis zur 11. Woche konnte ich noch Wettkämpfe bzw. Trainings absolvieren und bin beispielsweise Selektionsläufe für die Weltmeisterschaft sowie Nationale OL’s, auch Schweizermeisterschaften, gelaufen. Der erste Weltcup der Saison 2017 fand in meiner 12. Schwangerschaftswoche statt. Den Weltcup musste ich leider kurzfristig absagen, da ich aufgrund der Schwangerschaft leider nicht mehr intensiv laufen konnte. Es wurde mir vom Arzt empfohlen, nicht zu starten. Da für mich immer die Gesundheit des Kindes im Mittelpunkt stand, wollte ich auch nichts riskieren.

Allgemein war es in allen Belangen in den ersten Monaten sehr herausfordernd: Als Spitzensportlerin mit Bewegungslust musste ich mir auch eingestehen, dass nicht alles nach Plan läuft. Darum habe ich mit Einvernehmen von meinem Coach den Trainingsplan bald angepasst. Die von Beginn sehr starke Übelkeit und Müdigkeit war manchmal nicht ganz einfach einzuordnen und auch zu akzeptieren. Ebenso dass ich mein sportliches Umfeld erst in der zwölften Schwangerschaftswoche informierte, war nicht immer ganz so einfach. Schliesslich sind wir im Nationalkader wochenweise zusammen unterwegs.

Haben die anderen (Coaches, Athleten) in den ersten paar Wochen etwas von deiner Schwangerschaft mitbekommen?

Nein. Die Teamkollegen erfuhren es erst, als ich die Schwangerschaft öffentlich machte und den Weltcup absagte. Meine Trainerin vermutete es wohl.

Wie hast du dich im ersten Trimester gefühlt und inwiefern hast du dein Training angepasst?

Mir war sehr oft übel und ich war extrem müde. Aus diesem Grund konnte ich nicht das ganze Trainingspensum durchziehen. Trotzdem versuchte ich den Fokus auf die Schlüsseltrainings, also eher auf die intensiveren Einheiten, zu legen und so war ich bis zur elften Schwangerschaftswoche in einer guten physischen Form. Für mich war aber jederzeit klar, dass ich das Kind und die Gesundheit des Kindes mit dem Sport nicht riskieren möchte. Dies entschied auch über die Intensität der Trainings.

Im zweiten Trimester ist ja oft ein Energieschub da. War das bei dir auch so und wie hat dein Training ausgesehen?

Ich kann mich rückblickend an keinen zusätzlichen Energieschub erinnern. Eher war es bei mir so, dass ich mit dem Training zurückschrauben musste, prozentual waren das mindestens 60%. So habe ich ungefähr noch fünf bis sieben Trainings pro Woche gemacht. 

Aktuell bist du im dritten Trimester, in den letzten Zügen der Schwangerschaft. Was machst du noch und wie fühlst du dich?

Ich bin dankbar, dass ich den Alltag normal meistern kann und mich ab und zu auch sportlich bewegen kann. Laufen konnte ich in diesem Trimester ungefähr 1-2x in der Woche, und dies eigentlich nur bergauf. Ab der 34. Woche waren es dann nur noch zügige Spaziergänge, auch hauptsächlich den Hügel hoch. Was mir entgegenkam, war der frühe Schnee im November. Während das Laufen nicht mehr geht, ist die schonende Bewegung auf den Langlaufskis eine willkommene Abwechslung, welche mich in Schwung hält. Da ich früher aktive Langläuferin (wettkampfmässig) war, stehe ich sehr gut auf den Skis und habe auch keine Bedenken wegen Stürzen.

Kannst du mal eine typische Trainingswoche aus deiner aktiven Zeit mit einer typischen, sportlichen Schwangerschaftswoche vergleichen? Falls es diese typischen Wochen wirklich gibt…

Das ist schwierig! Aber ich versuche es: 

In einer Woche vor der Schwangerschaft habe ich beispielsweise neun bis 14 Einheiten durchgeführt: Laufen, Aquajogging, Rad, Kraft etc.

Im ersten Trimester (bis in die 12. Schwangerschaftswoche) waren es beispielsweise sechs Laufeinheiten, wovon zwei intensiver waren. Die intensiveren waren zum Beispiel 1000m, 2000m, 1000m, 1000m auf der Bahn oder Sprünge und Sprints  (10×20 Sprünge am Hügel mit 20sek Sprints am Hügel). Zusätzlich habe ich eine alternative Einheit (Aquajogging) eingebaut. Also waren die Trainings schlussendlich auf sechs Tage mit einem Ruhetag verteilt. 

Im Vergleich dazu ist eine Woche aus dem dritten Trimester sehr gemächlich. Ich habe „nur“ jeden zweiten Tag etwas gemacht. Insgesamt zwei Mal zügiges Gehen (90-120 Minuten) und zwei Mal war ich locker auf den Langlauf Skis. 

Mit welcher Intensität hast du während den verschiedenen Trimestern noch trainiert?

Im 1. Trimester noch «normal» intensiv und auch Wettkämpfe, ab dann nur noch extensiv und mit viel Verständnis für den Körper. Im 2. Trimester machte ich manchmal noch ganz kurze Sprints, jetzt im dritten Trimester versuche ich zügig zu laufen, der Puls und das «Sprechen» entscheiden aber über eine eventuell nötige Pause. 

Wie hat sich der Inhalt deiner sportlichen Aktivitäten grundsätzlich in der Schwangerschaft verändert? Wie lange konntest du laufen?

Die Aktivitäten haben sich grundlegend verändert. Von täglich zwei Trainings ist nun nur noch Bewegung je nach Befinden möglich. 

Mit dem Laufen musste ich definitiv in der Woche 33 aufhören. Die Anzahl Lauftrainings hatte ich auch stetig reduziert.

Hast du während der Schwangerschaft mehr Erholung benötigt? Wie hat sich das bei dir bemerkbar gemacht?

Ganz klar brauchte ich mehr Erholung. Ich merkte dies vor allem nach/während der Arbeit als Physio (ich arbeite 40% als Physio) oder wenn ich einen etwas vollen Terminkalender hatte. Nach einem Arbeitstag in der Praxis war ich k.o. So war und ist das Sofa während meiner Schwangerschaft zu einem Platz geworden, wo ich sehr viel Zeit verbringe.

Hast du dir jemals Sorgen gemacht, dass die sportliche Aktivität dem Baby im Bauch schaden könnte?

Mit meiner Ärztin war ich stets in engem Kontakt. Das gab mir auch Sicherheit. Bezüglich sportlicher Belastung für mein Herzkreislauf-System hatte ich keine Sorgen. Jedoch hatte ich mir schon früh Gedanken gemacht bezüglich Stürzen im Wald. Unsere Sportart Orientierungslauf ist nun mal kein Kindergeburtstag und braucht viel Koordination und Gleichgewicht, um im Gelände schnell vorwärts zu kommen.

Haben andere Spitzensportlerinnen wie Nicola Spirig oder Simone Niggli-Luder, welche sehr aktiv waren in der Schwangerschaft, bei dir Druck ausgelöst?

Naja, vielleicht schon ein wenig. Ich wurde ja immer mit ihnen verglichen. Und dann ist es naheliegend, sich selber zu hinterfragen. Tatsache ist, dass die beiden zwei ausserordentliche Beispiele sind. Von allen, welche länger brauchen oder Probleme haben (z.B. Selina Gasparin, Biathletin), hört man sehr wenig. Aber ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und so meinen eigenen Weg gefunden. Und ich glaube, dass ich trotz allem eine aktive Schwangerschaft hatte und dann auch nicht ganz bei Null  beginnen muss. 

Welchen Tipp gibst du werdenden Müttern im Zusammenhang mit Sport während und nach der Schwangerschaft?

Auf den Körper zu hören ist wohl das Wichtigste! Es geht nicht darum, sportliche Leistung zu vollbringen während der Schwangerschaft, sondern fürs Wohlbefinden aktiv zu bleiben. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass es auch mal etwas ziehen darf oder einen harten Bauch auch ganz normal sein kann. Wenn soweit alles gut ist, sind dies keine «Ausreden» fürs Nichtstun.

Was sind deine sportlichen Pläne nach der Geburt?

Nach einer Pause werde ich mit viel Rücksicht auf meinen Körper und auch das Kind das Training aufnehmen. Mein Ziel ist es, im Spitzensport wieder Fuss zu fassen. 

Eine sorgfältige Aufnahme des Trainings wird sehr entscheidend sein. Natürlich bin ich auch auf mein Umfeld angewiesen. Denn ohne dieses ist ein geregeltes Training nicht möglich.

Anmerkung: Auch Spitzensportlerinnen steigen nach der Geburt sanft ein. Judith hat ihre ersten Lauftrainings mit 5×5′ Laufen im Wechsel mit Gehen absolviert. 

Willst du mit Judith im 2018 sportlich unterwegs sein? Gemeinsam mit Gabriel leitet sie diverse Trailrunningweekends und -wochen. Hier gibt es weitere Infos dazu.

Bilder by Phil Gale

 

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